Feuer im Sparherd

Nur wenige Tage dauerte es, bis man uns einen "Sparherd" lieferte. Angefertigt hat ihn  Herr Schick, auch ein Heimatvertriebener. Seine Familie war schon einige Monate vor uns hier in Schwieberdingen eingetroffen. Sie kamen aus der Batschka, jener fruchtbaren Landschaft zwischen Theiß und Donau. Matthias Schick hatte sich als Flaschner hier niedergelassen und stellte die überall dringend notwendigen Sparherde und auch Ofenrohre her. Als Material benutzte er Blechkanister von den Amerikanern, in denen zuvor Erdnüsse oder andere Lebensmittel verpackt gewesen waren. Sein Sohn Franz holte die leeren Kanister mit dem Handwagen von einer Schrotthalde in Pflugfelden.

Das gute Stück hatte zwei Kochstellen, mit herausnehmbaren Topfringen. Durch die Feuertür aus Blech, nicht ganz so groß wie die Hand eines Erwachsenen musste das Holz in kurzen, dünnen Stöckchen ständig nachgefüllt werden. Die Köchin, Mutter, oder ich als Heizer hatten dann häufig rußige Hände vom Nachlegen. Wenn das Feuer endlich brannte, konnte man sich in der Nähe auch ganz gut wärmen. Es war aber jeden Tag ein Abenteuer, bis das Feuer morgens brannte. Wir feuerten mit ganz dünnem, trockenem Tannenreisig an, wie zu Hause in Gurschdorf und im Steingrund jeden Tag auch - wir konnten das schon immer. Aber so etwas kannten wir nicht: Sobald man das Ofentürchen aufmachte, fiel die Kaltluft aus dem Schornstein nach unten in den Raum, ließ keine Flamme, nur Qualm entstehen. Der erfüllte dann schnell die ganze Waschküche. Die Augen tränten, wir bekamen kaum noch Luft. Also Fenster auf. Doch da zog nur der Rauch ab, das Feuer brannte weniger denn je. Selbst der Versuch, nur mit trockenem Zeitungspapier die Kaltluft aus dem Kamin zu überlisten, gelang oft erst nach mehreren Anläufen.

Den Brennstoff zum Heizen holten wir in Form von Fallholz, von dem es am Hang bei der Nippenburg genug gab. Graf Leutrum von Ertingen hatte das Sammeln gestattet und uns damit in jenem kalten Winter 1946/47 warme Stuben beschert. Die gesammelten Bündel schleppten wir auf dem Rücken heim. Beil und Säge blieben selbstverständlich zu Hause, damit wir nicht in Verdacht kamen, Holz geschlagen zu haben. Auch meine Großeltern haben diese Arbeit hier in Schwieberdingen noch längere Zeit verrichtet. Später wurde uns ein Raummeter Brennholz zugeteilt.
Jeder griff zu und die Familie unterstützte sich, wie schon immer, gegenseitig nach Kräften. Der Zusammenhalt war sehr eng. Schwierigkeiten und Bedrohungen, die eine Gruppe betreffen, verbinden Menschen auf natürliche Weise. Neid und Überheblichkeit hatten keinen , jeder nannte gleich wenig sein Eigen.

Matthias Schick sen. berichtete mir 1997, dass er 76 solche "Sparherde" mit primitivsten Mitteln hergestellt hat. Sie waren etwa so klein, wie der Puppenherd, den Sie im Ortsmuseum besichtigen können und ohne Untergestell. Außerdem hat er 1400 Stück Rohre von 250 mm Durchmesser als Luft- und Materialleitungen für Heugebläse gefertigt.

Leider war kein Exemplar vom Fabrikat Schick mehr aufzufinden; das abgebildete stammt aus der späteren Fertigung der Firma Werner & Pfleiderer in Stuttgart-Feuerbach und ist schon wesentlich größer und stabiler, als unser seinerzeitiges.

Als weitere Folge des Zustroms von Millionen Menschen in das zerbombte Deutschland kam der Zwang zur Erstellung von Wohnraum durch Neubau hinzu. Gerade in diesem Bereich wurde fehlendes Geld durch Eigenleistung ersetzt. Baugruben wurden mit Pickel und Schaufel  in der "Freizeit" ausgehoben, Mauerwerk hochgezogen, was letztlich zum viel gepriesenen Wirtschaftswunder beitrug.