Unsere erste Wohnung

In der Kelter-Turnhalle verbrachten wir etwa eine Woche, bis man uns eine Wohnung zuwies. In der Kirchstraße 8, bei Frau Martha Heubach, einer Kriegerwitwe mit zwei Söhnen in meinem Alter, hatten wir nun unsere Adresse. Der Raum war nicht sehr groß, schätzungsweise drei mal vier Meter. An zwei Seiten hatten wir je ein Fenster. Der Boden bestand aus stabilem Beton, war von allen Seiten zur Raummitte hin leicht geneigt, wie eben eine Waschküche aussieht. Der Waschtisch mit gekreuzten Beinen aus Brettern und zwei Waschküchenbänke bildeten das ganze Mobiliar. Herd gab es noch keinen, aber der sollte bald kommen. Das war in Schwieberdingen unser erster Wohnraum- eine Waschküche.

Diese Situation muss man sich unter heutigen Bedingungen erst einmal vorstellen. Hätte ich es nicht selbst erlebt, hätte ich Schwierigkeiten damit.

Nachdem wir den Wohnraum kennen gelernt haben, sind wir auf den Schlafraum gespannt. Zu ihm steigen wir über zwei oder drei dunkle Treppen hoch bis unter das Dach. Dort stehen in einer Seitenkammer unter der Dachschräge zwei Betten hintereinander. Das ist unser Schlafplatz. Ein kleines Fenster spendet Licht. Frischluft kann ausreichend durch die Ritzen zwischen den Dachziegeln herein, denn es gibt keine Innenverkleidung des Daches. Vom Bett aus konnte ich mit der ausgestreckten Hand die Dachziegel berühren. Wir haben ja hier keinen Komfort erwartet, sondern nur einen Schutz zum Überleben und der ist uns zur Verfügung gestellt worden. Wir schlafen dort, wohin sich sonst auch die Spatzen zurückziehen, um vor Eulen sicher zu sein.

Doch darüber hat man sich nicht beschwert, sondern war froh, einen festen Punkt für den Anfang gefunden zu haben. Die Räume waren sauber und trocken, zwei Bettgestelle mit Strohsäcken standen zur Verfügung, Kissen und Decken mit Bettfedern hatten wir herüber gerettet. So waren wir zunächst versorgt. Auch für Familie Heubach bedeutete unsere Anwesenheit Einschränkung und Umstellung. Man arrangierte sich.

Ich bin mir sicher, für alle Heimatvertriebenen zu sprechen, wenn ich sage, dass jeder zunächst froh und dankbar war, ein Dach über dem Kopf und eine Bleibe zu haben.

Es liegt in der Natur der Menschen, dass diejenigen, die Haus und Hof oder sonstiges Eigentum verloren haben, auch wieder danach streben, den vorherigen Stand erneut zu erreichen und sich besonders dafür einsetzen.

Bedenkt man, dass das Heer der Heimatvertriebenen zunächst Möbel, Hausrat, Kleidung und was sonst noch lebensnotwendig war, alles neu beschaffen musste, so wird  deutlich, welch gigantischer Bedarf plötzlich geweckt war.